Der Schachsport in Baden in Coronazeiten

Autor: Fritz Meyer - Eingestellt: B. Herlemann
Datum: 18.09.2020 - Letzte Änderung: 18.09.2020 09:23
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Der Schachsport in Baden in Coronazeiten

 

Ein Beitrag von Fritz Meyer, Ehrenpräsident des BSV

 

Der auf der Homepage des BSV am 28.8.2020 erschienene Offene Brief von Niklaus Sentef (Bezirksleiter von Mittelbaden) hat deutlich werden lassen, welche Irritationen die unterschiedlichen Entscheidungen des Verbandstages am 27.Juni 2020 in Sandhausen und des TOA   am 6.8.2020 ausgelöst haben. Der folgende Beitrag versucht, die rechtlichen und inhaltlichen Gründe darzustellen.

I. Rechtliche Betrachtung der Entscheidungen

 

1. Satzung und Aufgabe des TOA

 

1.1  Satzungsgemäße Aufgabe des BSV

§ 2 Abs.2 Buchstabe a der Satzung lautet (verkürzt):

 

„ Zweck des Verbandes ist  ... die ….Organisation des ordentlichen Ligabetriebs für Schachvereine in Baden“

1.2. Aufgabe des TOA

Die Umsetzung dieses Verbandszweckes  regelt die  Turnierordnung (TO).Für Änderungen der TO ist nach § 13 der Satzung der  TOA zuständig. Allerdings bedürfen bestimmte Änderungen –auf die noch einzugehen sein wird – der Zustimmung des Verbandstages.

Dem TOA gehören ganz verschiedene Funktionsträger an. Auf der Homepage des BSV sind die Mitglieder über den Link „Spielbetrieb“ aufzurufen. Die Mitgliederliste umfasst 19 Schachfreunde,  sie ist  leider nicht auf dem neuesten Stand. Wer also über die derzeit so wichtige Frage entscheidet, wie der Spielbetrieb in Coronazeiten organisiert werden soll, ist  derzeit nicht nachvollziehbar.

 

1.3. Die Turnierordnung (TO) des BSV in der Fassung vom 18.5.2019

Die TO ist unterteilt in einen allgemeinen Teil (A) und in einen speziellen Teil (H).Der allgemeine Teil umfasst  - etwas verkürzt  -  den Spielbetrieb, das Spieljahr, die Spielberechtigung, die Turnierleitung, die Bedenkzeiten/Karenzzeit.

Der H-Teil regelt - auch hier verkürzt -  die Badischen Einzelmeisterschaften, die Klasseneinteilung der Badischen Mannschaftsmeisterschaften, Rangliste, die Festlegung der Spieltermine, das Spielrecht, die Ergebnismeldung,

Der Abschnitt A- 03 der TO bestimmt:

„Änderungen des allgemeinen Teils dieser Ordnung obliegen dem VT auf Antrag des TOA. Änderungen des speziellen Teils dieser Ordnung obliegen dem TOA. Auf Antrag des Sportdirektors kann das Präsidium redaktionelle Änderungen vornehmen.“

Diese Unterteilung kann so zusammengefasst werden, dass grundlegende Fragen des Spielbetriebes der Zustimmung des Verbandstages bedürfen (A-03 TO), Detailfragen soll der TOA allein entscheiden. Diese rechtliche Konstruktion hat sich im BSV  jahrzehntelang  bewährt und wurde nicht infrage gestellt.

 

2. Bekanntgabe des TOAam 26.6.2020

 

Folgende   - etwas gekürzte  - „Zusammenfassung des Spielbetriebs“ wurde aufgrund eines Skype-Meetings des TOA  vom Vorsitzenden des TOA am 26.6.2020 auf die Homepage gestellt und damit veröffentlicht:

„….

Mein Vorschlag für den Badischen Schachverband sieht wie folgt aus.

Plan A

Die Oberliga Baden 2019/2020 wird am selben Termin wie die 2. Bundesliga (September/Oktober) an einem Wochenende fortgesetzt und mit regulären Auf- und Abstieg beendet. Die Saison 2020/2021 wird entsprechend der 2. Bundesliga mit 5 Doppelrunden an den gleichen Terminen ausgetragen.

Die Verbandsrunden Baden wird im Zeitraum September/Oktober 2020 fortgesetzt und regulär beendet. Die Wechselfrist endet statt am 30.6.am 31.10.2020. Die Spielrechte müssen statt 7.7. bis 7.11. bestätigt werden. Die Saison 2020/2021 beginnt am 1.12., die 1. Runde wird am 13.12.2020 (bisherige 4. Runde) gestartet, die 3 fehlenden Runden werden für Mai/Juni 2021 terminiert.

     Plan B  (keine Spiele im Herbst möglich)

Die Saison wird gestreckt auf 2019/2021, die beiden fehlenden Runden  2019/2020 werden im Frühjahr 2021 der Saison angesetzt.“

 

3. Beschluß des Verbandstages am 27.6.2020

 

Da der VT einen Tag nach den Beratungen des TOA zusammenkam, und die beiden Varianten öffentlich bekanntgemacht wurden, war es folgerichtig, diese im VT zu beraten und zu entscheiden, welche Lösung umgesetzt werden soll.

Die Beschlüsse des VT hat der Präsident des BSV auf der Homepage des BSV am 13.7.2020 bekanntgegeben und dabei  - (der Text ist gekürzt)- folgendes veröffentlicht:

Der VT bestätigte die Beschlüsse des TOA nach Plan A. Dieser sieht vor, die beiden ausstehenden Runden von C/D-Klassen bis Verbandsligen bis 31.10.2020 nachzuholen. … Die Spiele der Oberliga werden an den Terminen analog zur 2. Bundesliga fortgesetzt. Diese Spielkommission hat aktuell beschlossen, diesen Modus verbindlich durchzuführen

Die neue Saison (redaktioneller Hinweis: in Baden) beginnt am 1.12.2020. Das damit verbundene Nachholen der ausgesetzten drei ersten Runden der neuen Saison  soll im späten Frühjahr 2021 geschehen.

Die Wechselfristen enden dieses Jahr einmalig zum 31.10.2020.

Diese Planungen des TOA   … wurden in einem Meinungsbild von einer deutlichen Mehrheit der Delegierten (47 Ja-Stimmen) gutgeheißen. …“

 

Das Protokoll über den VT wird derzeit erstellt. Da ich selbst an dem VT teilgenommen habe, kann ich bestätigen, dass die Ausführungen des Präsidenten das Ergebnis der Beratungen zutreffend wieder geben.

Streitig gestellt wird nun im Nachhinein,

ob der Verbandstag berechtigt war, von einem Beschluss des TOA auszugehen,  ob der  VT einen solchen Beschluss überhaupt fassen durfte, weil allein der TOA für Änderungen der TO  zuständig wäre.

Völlig unstreitig ist m.E., dass der VT als oberstes Organ des Verbandes jederzeit berechtigt ist, auch  Entscheidungen  zum Spielbetrieb - der Essenz eines Verbandes  - zu fassen. Die Satzung schließt das nicht aus. Die Mitgliederrechte eines Verbandes kommen im Verbandstag zur Wort. Er setzt sich im Wesentlichen zusammen aus den von den Bezirken entsandten Delegierten. Hinzu kommt, dass, wie unter Ziffer 1.3 erwähnt, der VT ohnehin in vielen Fällen die Entscheidungen des TOA bestätigen muss.

Selbst bei vermeintlich unklaren Zuständigkeitsregeln  gilt der Grundsatz, dass übergeordnetes Recht immer vorgeht. Übergeordnet ist zweifellos  sein oberstes Organ, der Verbandstag. Der TOA ist ein Ausschuss, der zwar dem  VT für den Spielbetrieb zuarbeitet, dessen Entscheidungen in vielen Fällen aber ausdrücklich der Zustimmung des VTs bedürfen. Es stellt keine Zurücksetzung des TOA dar, wenn ein VT  einen Beschluss fasst und damit dem  TOA eine Entscheidung vorwegnimmt. Als oberstes Organ kann er dies. Eine solche Entscheidung ist vom TOA zu respektieren.

 

4. Beschluß des TOA vom 6.8.2020

Nun hat jedoch am 7.8.2020 der TOA einen Beschluss  auf der Homepage veröffentlicht, der vom dem VTs-Beschluss diametral abweicht. Er sieht vor, dass die Runden 8 und 9 der Saison 2019/2020 im Frühjahr 2021 gespielt werden sollen und es keine Saison 2020/2021 geben wird. Von  einem Schachfreund wurde diese Entscheidung als vergleichbar mit einer Insolvenz eines Wirtschaftsbetriebes  bewertet, weil der BSV  die Mannschaftsmeisterschaft 2020/2021 für Oberliga bis Bereichsliga  mit insgesamt 150 Mannschaften  und ca.1800 Spielern (incl. Ersatzspieler) aussetzt und den Mannschaftsspielbetrieb auf badischer Ebene insoweit einstellt. Auch auf den Bezirksebenen soll nicht der Mannschaftsspielbetrieb der Bezirks- und Kreisklassen stattfinden sondern  lediglich auf freiwilliger Basis ein  Spielbetrieb fortgesetzt werden.  Damit wird der reguläre Ligaspielbetrieb abgebrochen.

Ein solcher  Beschluss  bedarf m.E. der Zustimmung des VTs. Er ändert nicht nur ein  Spieljahr, sondern setzt es ganz aus. Dass es darüber verschiedenen Meinungen geben kann, ist für mich nicht nachvollziehbar und kommt einer Missachtung des Parlaments und damit der Mitgliederrechte gleich. Ich habe auch kein Verständnis dafür, dass ein Präsidiumsmitglied schriftlich auf eine Kritik an dem TOA-Beschluss mit den Worten antwortete, dass  der VTs-Beschluss für ihn nicht relevant ist. Wenn diese Auffassung im Präsidium geteilt wird, dann hat der Verband ein veritables Problem.

Der Beschluss des TOA ist aus meiner Sicht unstreitig  dem Teil A der TO zuzuordnen. Die Aussetzung des normalen Ligabetriebes, wie er im BSV seit Jahren praktiziert wird, ist ein so gravierender Eingriff, dass er nicht vom TOA allein verantwortet werden kann. Auch in Coronazeiten sind die rechtlichen Rahmenbedingungen einzuhalten. Ob der bisher gewohnte  Ligabetrieb aufrecht  erhalten werden soll oder  vorübergehend über Alternativen entschieden  werden muss, überschreitet die Kompetenz des TOA. Hier sind die Mitglieder des Verbandes gefordert. Ein VT muss darüber entscheiden. Aus meiner Sicher ist der Beschluss des TOA ohne Zustimmung eines VTs  nicht rechtsverbindlich, er ist schwebend unwirksam.

Selbst wenn die Rechtauffassung des Präsidiums, dass der TOA allein solche Entscheidungen treffen kann, zutreffend wäre, halte ich es verbandspolitisch für verfehlt, den gesamten Verband nicht in eine solche weitreichende  Entscheidung einzubinden. Ich hoffe auf die Einsicht des Präsidiums, zumal erste Bezirke bereits die Einberufung eines außerordentlichen Verbandstages nach § 9 Abs.4  der Satzung beschlossen haben.

 

II. Inhaltliche Überlegungen

1. Zulassung des Sportbetriebs in BW

Das Land BW  hat die Ausübung des Sports  unter Hygieneauflagen zugestimmt.  Das bedeutet,  Abstandhalten, Mund- und Nasenschutz in geschlossenen Räumen, Händedesinfektion, keine Zuschauer, Adressen der gleichzeitig Anwesenden erfassen.

Allerdings ist bei der eigentlichen sportlichen Betätigung, also beim Spielen am Brett kein  und- und Nasenschutz zu tragen. Eine Mindestgröße des Raumes von 80 qm sieht das Land BW für Mannschaftskämpfe nicht vor. Damit kann auch im BSV dem Grunde nach, ein Spielbetrieb aufgenommen werden. In einigen anderen Bundesländern ist dies bereits der Fall.

2. Der Spielbetrieb ist vom BSV zu organisieren

Der BSV hat den Spielbetrieb zur organisieren für solche Mitglieder, die den Schachsport ausüben wollen. Für Schachfreunde und Vereine, die  coronabedingt nicht mehr am Spielbetrieb teilnehmen wollen, kann der Verband zwar Alternativen anbieten, das entbindet ihn aber nicht für diejenigen Vereine, die  einen Mannschaftsspielbetrieb  wollen, einen  Ligabetrieb zu ermöglichen. Für einen ausfallenden Mannschaftsspielbetrieb werden sich  Schüler und Jugendliche nicht begeistern lassen. Einem freiwilligen Spielbetrieb fehlt der sportliche Reiz.

3. Ein Ligabetrieb in BW ist nicht vom Votum der 2. Bundesliga abhängig

Der Ligabetrieb in Baden kann unabhängig davon fortgeführt werden, wie sich die 2. Bundesliga positioniert. Zwar kann der OL-Meister evtl. nicht in die 2. Bundesliga aufsteigen. Dies ist  jedoch die einzige Auswirkung einer abweichenden Entscheidung. Auf- und Abstiege von den Kreisklassen bis zur Oberliga würden regelgerecht stattfinden.  

4. Corona wird zum Rückgang der Mannschaften führen

Aus meiner Sicht dürfte es völlig unstreitig sein, dass nicht wenige – vor allem ältere Schachfreunde – wegen Corona an Mannschaftskämpfen nicht mehr mitwirken werden. Deren Haltung gilt es zu respektieren. Der Schachsport sollte sich aber bemühen, zumindest diejenigen Schachfreunde zu „erhalten“, die Schach im Wettbewerbsbetrieb ausüben möchten. Dafür ist der BSV verantwortlich. Corona wird leider zu einem Rückgang der Mannschaften am Ligaspielbetrieb führen.Vielleicht werden wir uns auf eine 6er-Mannschaftsstärke einrichten müssen. Es gibt sicher viele Lösungen, die in Erwägung gezogen werden können.

 

III.  Schlußbemerkungen

Natürlich löst  dieser Beitrag bei einigen keine helle Freude aus. Ich habe mich aber dazu entschieden, weil dieses Thema viele umtreibt und die Kommunikation durch das Präsidium lückenhaft ist sowie weil ich sehe, dass die Rechte der Mitglieder nicht in ausreichender Weise akzeptiert werden. Man muss kein Jurastudium absolviert haben um zu erkennen, dass hier einiges nicht glatt gelaufen ist. Ich hoffe, dass alsbald ein Verbandstag einberufen  wird, damit die  notwendigen Entscheidungen auf eine breite Basis gestellt werden.

 

Friesenheim, den 11.9.2020

 

 

 

 

 

 


 





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